21. September 2022

Warum wir nie wieder Werbung auf Facebook schalten dürfen. Große Pläne und große Probleme bei der digitalen Teilnehmer*innen-Ansprache

Es hatte alles so gut begonnen. Nach Monaten intensiver Literaturrecherche, konstruktiver Gespräche und Abwägungen hatten wir ein Konzept für unseren DabeiRat entwickelt, hinter dem wir alle standen: Eine diverse Gruppe von rund 20 Menschen sollte es werden, die uns dabei hilft, uns zu öffnen, unsere Voreingenommenheiten und wissenschaftlichen Scheuklappen bezüglich Social Media und Geschichtsdarstellungen zu reflektieren. Zugleich sollen die DabeiRats-Mitglieder ihre Ideen und Perspektiven einbringen und eigene Projekte mit unserer Unterstützung umsetzen können. Sie sollen sich wohl und wertgeschätzt fühlen für all die Zeit und Arbeit, die sie ehrenamtlich (!) in unser Projekt investieren.

So weit so gut also, große Pläne und hehre Ziele waren gemacht, die Ausschreibung konnte starten. Das klingt natürlich einfacher als es ist. Als geisteswissenschaftliches Forschungsprojekt kann es sehr schwierig sein, Menschen diverser Backgrounds anzusprechen und von einer Teilnahme zu überzeugen. Uns war bewusst, dass sich oft nur bestimmte Gruppen für Geschichte interessieren, nämlich Menschen mit einer akademischen Bildung und ohne Migrationshintergrund. Deshalb wollten wir mit mehreren Werbekampagnen gezielt auch andere Gruppen ansprechen. Dafür haben wir uns überlegt, was sie an unserem Projekt interessieren könnte und was wir ihnen bieten könnten. Darauf aufbauend haben wir fünf zielgruppenspezifische Kampagnen (Teenager, Social-Media-Affine, Wissenschaftsaffine, Geschichtsaffine und eine Mischung aus diesen vier) für drei Werbeformate entwickelt (Facebook, Instagram-Feed und Instagram-Stories). Werbebudget hatten wir in das Projektbudget eingeplant, es konnte also losgehen.

Gesagt, getan: einen Facebook-Account im Namen eines Projektmitglieds erstellt sowie eine Facebook-Seite und einen Werbeaccount. Bildmaterial und Texte entwickelt, Werbeanzeigen vorbereitet, Zielgruppen eingestellt, los ging’s. Und für drei Tage sah es auch wirklich fantastisch aus. Viele Interaktionen und Klicks, die Besuche unserer Website schossen in die Höhe und etliche Bewerbungen für unseren DabeiRat flatterten dank der Social-Media-Werbung ins Haus. Allerdings waren die Bewerber*innen noch nicht so divers, wie wir es uns erhofft hatten. Also Nachjustieren, Werbebilder und -texte überarbeiten, Zielgruppen verfeinern und schauen, ob sich etwas ändert.

Fataler Fehler. Bis hierhin hatte Facebook uns weitgehend machen lassen, doch mit der Überarbeitung der Kampagnen haben wir scheinbar einen Verdacht ausgelöst: Das sind böse Menschen, Wahlbeeinflusser*innen, Verschwörungsthinktank-Leute! Sperren!

Alle Kampagnen wurden sofort gestoppt, ein Identitätsnachweis gefordert. Nach einem Chat mit einem freundlichen Mitarbeiter schien das Problem aber gelöst, Account wieder freigeschaltet, weiter konnte es gehen. Puh! Zwar konnte uns niemand sagen, was eigentlich das Problem war, aber es war ja nun alles gut, also was soll’s. Für die Fortführung der Kampagnen sollten wir nur den Website-Link nochmal prüfen, sagte der Werbeanzeigenmanager. Gesagt getan – und wieder gesperrt. Warum? Keine Ahnung.

Wir hatten noch einige Tage bis zum Ende der Bewerbungsfrist, also vielleicht könnten wir mit einem ordentlichen Budget noch ein paar potenzielle Kandidat*innen erreichen. Okay, dann also Identitätsprüfung, Ausweis hochladen, nochmal den Support kontaktieren. Der Account und die Kreditkarte liefen auf den echten Namen eines Teammitglieds und wir hatten wir auch dessen Ausweis hochgeladen. Doch Facebook meinte nun: Alles Fake! Ihr seid richtig böse Menschen, Betrüger*innen, Kindermanipulator*innen! Für immer gesperrt! Ihr dürft nie wieder Werbung schalten, ihr könnt den Support nicht mehr kontaktieren, wir hassen euch!

Hysterisches Lachen, panisches Weinen, Gedanken an Weltherrschaft, die Zerstörung von Facebook und die Verbannung von Mark Zuckerberg ins Exil.

Wir wollten doch nur mit Menschen über Geschichte in den sozialen Medien reden... Gott sei Dank haben wir nicht nur auf Social-Media-Werbung gesetzt. Die beiden am Projekt beteiligten Universitäten Bochum und Hamburg haben fleißig auf unsere Ausschreibung hingewiesen, außerdem wurde sie von vielen tollen Menschen auf Twitter, Instagram und Facebook geteilt. Auch eine kleine E-Mail-Kampagne an Vereine in Hamburg und Nordrhein-Westfalen hat gefruchtet. Und am Ende haben wir fast 80 durchaus diverse und durchweg fantastische Bewerbungen für unseren DabeiRat bekommen. Wow!

Inzwischen ist die Auswahl abgeschlossen und Ende Oktober beginnen wir mit der gemeinsamen Arbeit. Nur wie wir in den nächsten beiden Jahren Social-Media-Werbung für unsere Workshops machen sollen, wissen wir immer noch nicht...

Schlagworte

social-media

Teilen

Zurück zum Magazin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert